Ein Fuchs sah einen Eber seine Hauer an einem Eichstamme wetzen und fragte ihn, was er da mache, da er doch keine Not, keinen Feind vor sich sehe?
"Wohl wahr", antwortete der Eber, "aber gerade deswegen rüste ich mich zum Streit; denn wenn der Feind da ist, dann ist es Zeit zum Kampf, nicht mehr Zeit zum Zähnewetzen."
Bereite dich im Glück auf das künftige Unglück; sammle und rüste in guten Tagen auf die schlimmern.
Ein Esel und ein Fuchs lebten lange freundschaftlich zusammen und gingen auch miteinander auf die Jagd. Auf einem ihrer Streifzüge kam ihnen ein Löwe so plötzlich in den Weg, daß der Fuchs fürchtete, er könne nicht mehr entfliehen. Da nahm er zu einer List seine Zuflucht. Mit erkünstelter Freundlichkeit sprach er zum Löwen:
"Ich fürchte nichts von dir, großmütiger König! Kann ich dir aber mit dem Fleische meines dummen Gefährten dienen, so darfst du nur befehlen."
Der Löwe versprach ihm Schonung, und der Fuchs führte den Esel in eine Grube, in der er sich fing.
Brüllend eilte nun der Löwe auf den Fuchs zu und ergriff ihn mit den Worten: "Der Esel ist mir gewiß, aber dich zerreiße ich wegen deiner Falschheit zuerst."
Den Verrat benutzt man wohl, aber den Verräter liebt man doch nicht.
Ein Esel warf einmal eine Löwenhaut um sich her, lustwandelte mit stolzen Schritten im Wald und schrie sein 'Ia Ia' aus allen Kräften, um die andern Tiere in Schrecken zu setzen. Alle erschraken, nur der Fuchs nicht. Dieser trat keck vor ihn hin und höhnte ihn: "Mein Lieber, auch ich würde vor dir erschrecken, wenn ich dich nicht an deinem 'Ia' erkannt hätte. Ein Esel bist und bleibst du!"
Mancher Einfältige in prächtigem Gewande gälte mehr, wenn er schwiege, denn: Mit Schweigen sich niemand verrät.
Ein Bock und ein Fuchs gingen in der größten Hitze miteinander über die Felder und fanden, von Durst gequält, endlich einen Brunnen, jedoch kein Gefäß zum Wasserschöpfen. Ohne sich lang zu bedenken, sprangen sie, der Bock voraus, hinunter und stillten ihren Durst. Nun erst begann der Bock umherzuschauen, wie er wieder herauskommen könnte. Der Fuchs beruhigte ihn und sagte: "Sei guten Muts, Freund, noch weiß ich Rat, der uns beide retten kann! Stelle dich auf deine Hinterbeine, stemme die vorderen gegen die Wand und recke den Kopf recht in die Höhe, daß die Hörner ganz aufliegen, so kann ich leicht von deinem Rücken hinausspringen und auch dich retten!"
Der Bock tat dies alles ganz willig. Mit einem Sprung war der Fuchs gerettet und spottete nun des Bocks voll Schadenfreude, der ihn hingegen mit Recht der Treulosigkeit beschuldigte. Endlich nahm der Fuchs Abschied und sagte: "Ich sehe schlechterdings keinen Ausweg zu deiner Rettung, mein Freund! Höre aber zum Dank meine Ansicht: Hättest du so viel Verstand gehabt als Haare im Bart, so wärest du nie in diesen Brunnen gestiegen, ohne auch vorher zu bedenken, wie du wieder herauskommen könntest!"
Vorgetan und nachbedacht, hat manchen in groß Leid gebracht!
Ein vor Jägern fliehender Fuchs fand, nachdem er lange in der Wildnis herumgelaufen war, endlich einen Holzhacker und bat denselben inständig, ihn doch bei sich zu verbergen. Dieser zeigte ihm seine Hütte, worauf der Fuchs hineinging und sich in einem Winkel versteckte. Als die Jäger kamen und sich bei dem Manne erkundigten, so versicherte dieser zwar durch Worte, er wisse nichts, deutete aber mit der Hand nach dem Orte hin, wo der Fuchs versteckt war. Allein die Jäger hatten nicht darauf geachtet und entfernten sich sogleich wieder. Wie nun der Fuchs sie fortgehen sah, ging er wieder heraus, ohne etwas zu sagen; und als der Holzhacker ihm Vorwürfe machte, daß er ihm, durch den er doch gerettet worden sei, keinen Dank bezeuge, drehte sich der Fuchs nochmals um und sprach: "Ich wüßte dir gerne Dank, wenn die Werke deiner Hand und deine Gesinnung mit deinen Reden im Einklange ständen."
Die Fabel geht diejenigen an, die zwar die Rechtschaffenheit im Munde führen, durch ihre Handlungen aber das Gegenteil an den Tag legen.
Eine Maus und ein Spatz saßen an einem Herbstabend unter einem Weinstock und plauderten miteinander. Auf einmal zirpte der Spatz seiner Freundin zu: "Versteck dich, der Fuchs kommt", und flog rasch hinauf ins Laub.
Der Fuchs schlich sich an den Weinstock heran, seine Blicke hingen sehnsüchtig an den dicken, blauen, überreifen Trauben. Vorsichtig spähte er nach allen Seiten. Dann stützte er sich mit seinen Vorderpfoten gegen den Stamm, reckte kräftig seinen Körper empor und wollte mit dem Mund ein paar Trauben erwischen. Aber sie hingen zu hoch.
Etwas verärgert versuchte er sein Glück noch einmal. Diesmal tat er einen gewaltigen Satz, doch er schnappte wieder nur ins Leere.
Ein drittes Mal bemühte er sich und sprang aus Leibeskräften. Voller Gier huschte er nach den üppigen Trauben und streckte sich so lange dabei, bis er auf den Rücken kollerte. Nicht ein Blatt hatte sich bewegt.
Der Spatz, der schweigend zugesehen hatte, konnte sich nicht länger beherrschen und zwitscherte belustigt: "Herr Fuchs, Ihr wollt zu hoch hinaus!"
Die Maus äugte aus ihrem Versteck und piepste vorwitzig: "Gib dir keine Mühe, die Trauben bekommst du nie." Und wie ein Pfeil schoß sie in ihr Loch zurück.
Der Fuchs biß die Zähne zusammen, rümpfte die Nase und meinte hochmütig: "Sie sind mir noch nicht reif genug, ich mag keine sauren Trauben." Mit erhobenem Haupt stolzierte er in den Wald zurück.
Ein Fuchs betrachtete in der Werkstätte eines Bildhauers mit Entzücken verschiedene schöne Bildsäulen. Besonders gefiel ihm eine derselben wegen ihrer vorzüglichen Arbeit und Schönheit. Er untersuchte sie endlich näher und bemerkte nicht das geringste Zeichen von Leben oder Verstand.
"Oh!" rief er aus, "wie schade ist, daß ein so schöner Kopf kein Gehim hat!"
Die Bildung des Geistes gibt erst der Schönheit des Körpers einen Wert.