Kapitel XXI
Als Tom an einem Bachlauf ruht,
setzt ein Mädchen sich zu ihm,
mit `nem Haar wie gold´ne Flut.
Sie spricht zu ihm mit schöner Stimm´:
"Kommst Du mit mir, wenn ich geh´
und zum ander´n Ufer schwimm´?
Hinter`m Hügel voller Klee,
wo die schönen Blumen sind,
geht´s dann durch den großen See;
ein guter Freund wohnt dort beim Wind,
der allseits um sein Haus rumweht;
der wirklich Großen ist er Kind,
wenn er auf der Weltbühn´ steht."
Bis sie dann beim Hof anlangen
nur eine kurze Zeit vergeht.
Nach Ankunft gleich die Tor´ aufschwangen,
woraus `ne Duftwolk´ sich ergießt.
"Tritt ein, mein Herr, ganz ohne Bangen,
der Du Freund der Freundin bist,
sei mir ein willkomm´ner Gast."
Von der Decke Lichtschein fließt,
der in Farben rundum rast.
Im Rollstuhl dieser Hausherr sitzt,
er eilt voran, doch ohne Hast.
"Wie Du siehst, - * bin abgeblitzt,
was den Körper hier betrifft;
ein Haufen Kugeln hab´n geritzt
den Leib, dem Stoff war dies ein Gift.
So zwanzig Leut´ in diesem Fall
kamen frei aus jenem Stift,
wo`n Gefängnis war im Stall.
Damals ich noch Vorstand war
von 'amnesty ´nternational';
heute zeichne ich der Schar,
die ich dadurch kennenlernte.
Vierzig Brief´ am Tag sind´s gar,
die in Winkel, weit entfernte,
ich zur Hilfestellung schreibe.
Ergebnisse aus dieser Ernte
ich zu and´rer Stelle treibe,
damit des Menschen Freiheitstum
findet dort auch eine Bleibe.
Es ist nicht das Heldentum,
welches mich im Leben leitet;
es ist das Mysterium,
welches durch mich immer gleitet.
Nimmer schau´ ich auf die Erd´,
welche Qual man mir bereitet;
denn ich steh´ im eig´nen Herd,
seh´ das Feuer, das ich bin,
und welches wie ein schnelles Pferd
wandert zu der Erde hin,
um heimzuführen und zu lichten,
was verdreht im ird´schen Sinn ~.
Ist´s mein Endziel? - Nein, mitnichten;
schau´ ich in mich selbst hinein,
kommen immer tief´re Schichten.
Obwohl ich lebe im So-Sein,
die Menschheitsseele durch mich tut,
gibt´s noch einen lichter´n Hain,
wo ein göttlicheres Gut ~.
* Wandle stetig unter Leuten;
nicht im Strome dieser Flut,
die sich meistens davor scheuten,
dem inner´n Sein ganz zu vertrauen.
Würd´ der Stoff mir was bedeuten,
hätt´ eine Welt ich zu erbauen,
wo nur Licht und Freude sind;
- der Fortgang würde sich nur stauen.
Kein Verlangen ich empfind´,
zu schwelgen weiter in dem Licht,
welches ich, als ich noch Kind ~,
ein aufwärtsstrebend^ kleiner Wicht,
wollte immerzu erreichen.
Der große Durst danach gebricht,
siehst Du `nen Schein aus feiner´n Reichen.
Wenn Du bist die Menschheitsseele,
~ Freud´ und Schmerzen von Dir weichen,
denn Du bist nun eine Stele,
um die Geschöpfe anzuleiten,
gehorchend nur dem Gottbefehle.
Die dunklen und die freudvoll^ Seiten:
in Erinn´rung leben sie;
doch vorbei sind diese Zeiten,
wo dieses Ziel mir Kraft verlieh.
Immer weiter geht der Weg,
Schritt für Schritt, - er endet nie.
Gibt´s mal einen Punkt am Steg,
wo unser Kosmos ist vergessen?"
Die Maid sich streckt, als wär´ sie träg´:
"Ich sorge mal für gutes Essen.
Es könnte sein, daß Tom braucht Kraft;
wer kann dies alles schon bemessen."
D´rum man schöne Stimmung schafft,
mit Kerzenlicht und schönem Glanz,
mit angenehmem Mahl und Saft.
"So ist nun der ew´ge Tanz;",
Tom einmal das Wort ergreift:
"ständig steht man auf `ner Schanz´;
vor`m Abgrund hin und her man schweift,
bevor man wagt den großen Sprung.
Wenn man sich davor versteift,
beißt man sich nur in die Zung´;
flüchtet man nun gar zurück,
landet man nur auf dem Dung.
Und doch ist´s schwer zu geh´n `ne Brück´,
wo alles ist nur voller Nebel;
zu unser aller großem Glück
sieht man manchmal leuchtend´ Säbel,
die zu führen wir bestimmt ~.
Sind sie doch die richt´gen Hebel,
damit der Geist in uns getrimmt ~."
"So ist´s, die Zukunft ~` - vages Feld;
und die Vergangenheit verschwimmt.
Man achtet nicht mehr auf das Geld,
auf Ehre oder stark´ Kritik,
wenn man ist der wahre Held,
der tut, was heißt ihn das Geschick,
der weitergeht, ohn´ umzublicken,
und nicht fürchtet diesen Strick,
welcher könnte ihn ersticken.
Unsichtbar für uns´re Welt
werden seine Taten ticken,
welche, wenn das Feld bestellt ~,
gar wohl gute Früchte bringen.
Wenn die Glock´ zum Werke schellt,
handelt man dann wie auf Schwingen.
Jetzt muß ich and´re Arbeit tun;
woll´n zum Ende wir noch singen?
Aus einem sehr, sehr tiefen Brunn^
muß in mir ein Text erstehen
für ein Buch, das schreib´ ich nun,
damit es einwirkt auf`s Geschehen."
So erklingt ein Abschiedslied,
bevor die beiden wieder gehen.
An dem See beim hohen Ried
spricht zu Tom des Mädchen fein:
"Betracht´ mich als ein Bindeglied,
das Dir schenket köstlich^ Wein.
Jetzt wir auseinandergeh´n,
weiter wanderst Du allein;
bald gibt es ein Wiederseh´n.
Hab´ nur immer großen Mut,
aufrecht stetig dazusteh´n."
